Auf das Gute sehen
Geschichten
Eines Tages wurde der Philosoph Sokrates von einem Mann besucht.
"Hör zu!", sagte der Mann. "Ich will dir mal etwas über das Benehmen deines Freundes erzählen."
"Halt ein!", forderte Sokrates. "Bevor du mir die Geschichte erzählst, solltest du sie unbedingt vorher durch die drei Siebe geben lassen."
"Welche drei Siebe?", wunderte sich der Mann.
"Nun, zuerst solltest du deine Gedanken durch das Sieb der Wahrheit geben", riet ihm Sokrates. "Hast du auch geprüft, ob das, was du mir erzählen wirst, auch wahr ist?"
"Ob die Geschichte wahr ist, weiß ich nicht", sagte der Mann. "Ich habe diese Geschichte selbst nur gehört."
"Aber ich nehme doch an, dass du deine Geschichte durch das Sieb der Güte hast gehen lassen", fuhr Sokrates fort. "Die Geschichte, die du mir erzählen wirst, ist doch eine gute Sache, oder?"
"Aber nein, im Gegenteil!", rief der Mann.
"Aha", bemerkte der Philosoph. "Kommen wir wenigstens zum dritten Sieb. Hat die Geschichte, die du mir erzählen wirst, denn einen Nutzen?
"Nutzen? Nicht unbedingt", überlegte der Mann.
"Dann will ich diese Geschichte auch nicht hören", entschied Sokrates. "Wenn das, was du mir erzählen wirst, weder wahr noch gut ist und noch nicht einmal einen Nutzen hat, rate ich dir, sie am besten gleich selbst zu vergessen."
Eines Tages bemerkte ein Bauer, dass seine Axt verschwunden war. Der Sohn des Nachbarn erschien ihm sofort verdächtig, denn er verhielt sich besonders auffällig. Der Bauer beschloss, ihn genauer zu beobachten. Da fiel ihm auf, dass der Nachbarsohn sehr seltsam war. Er sprach so merkwürdig, er schlich manchmal im Dunkeln herum und er hatte ein ganz merkwürdiges Verhalten, ganz anders als die anderen Jungen. Der Fall war eindeutig: Dieser Junge war der Dieb.
Als der Bauer dann einen Holzstapel zur Seite räumte, fand er seine Axt wieder.
An diesem Tag schaute der Bauer noch einmal zu dem Nachbarsjungen hinüber. Eigentlich hatte er ein ganz normales Verhalten, an dem nichts Verdächtiges zu erkennen war.
Künzelmann sah ihn ernst an. „Ich werde dir verzeihen“, erwiderte er. „Doch jede schlimme Tat verlangt ihre Sühne.“
„Ich bin gerne zu allem bereit“, antwortete der Nachbar reumütig.
Künzelmann ging in sein Schlafzimmer und kam mit einem großen Kopfkissen zurück. „Trag dieses Kissen in dein Haus”, sagte er. „Dann schneide ein Loch in das Kissen und komm wieder zurück, indem du unterwegs immer einige Federn nach rechts, einige nach links verstreust. Das ist der erste Teil der Sühne!“
Nichts leichter als das, dachte der Nachbar und machte, wie ihm aufgetragen wurde. Als er wieder vor Künzelmann stand und ihm die leere Kissenhülle überreichte, fragte er: „Und der zweite Teil meiner Buße?“
„Gehe jetzt wieder den Weg zu deinem Haus zurück und sammle alle Federn wieder ein!“
Der Nachbar stammelte verwirrt: „Ich kann doch unmöglich all die Federn wieder einsammeln! Ich streute sie wahllos aus, warf einige hierhin und einige dorthin. Inzwischen hat der Wind sie in alle Himmelsrichtungen getragen. Wie kann ich sie alle wieder einfangen, das ist unmöglich?!“
Künzelmann nickte ernst:
„Genau so ist es mit der üblen Nachrede und den Verleumdungen. Einmal ausgestreut, fliegen sie in alle Richtungen – wir wissen nicht wohin. Wie willst du also wieder alle über mich verbreiteten Gerüchte zurücknehmen?“
Autor unbekannt
Man darf in jedem menschlichen Wesen nur das sehen, was des Lobes würdig ist. Wenn man so handelt, kann man der ganzen Menschheit Freund sein. Betrachten wir die Menschen jedoch vom Standpunkt ihrer Fehler aus, dann ist es eine äußerst schwierige Aufgabe, mit ihnen Freundschaft zu pflegen.
Es geschah eines Tages zur Zeit Christi - möge das Leben der ganzen Welt ein Opfer für Ihn sein - daß Er an einem toten Hund vorbeikam, einem übelriechenden Kadaver, widerlich anzusehen, mit faulenden Gliedern. Einer Seiner Begleiter sagte: "Wie faul ist sein Gestank!" Ein anderer meinte: "Wie ekelerregend, wie abscheulich!" Kurzum, jeder hatte etwas hinzuzufügen.
Aber dann sprach Christus, und Er sagte ihnen: "Sehet die Zähne des Hundes! Wie strahlend weiß sie sind!"
Der sündenbedeckende Blick des Messias verweilte keinen Augenblick lang auf dem Widerwärtigen des Aases. Der einzige Teil des Kadavers, der keine Abscheu erregte, waren seine Zähne, und Jesus schaute auf ihren Glanz.
So sollten wir, wenn wir unseren Blick auf andere Menschen richten, das sehen, worin sie sich auszeichnen, und nicht das, worin sie versagen.
Preis sei Gott! Dein Ziel ist, das Wohlbefinden der Menschheit zu fördern und den Seelen zu helfen, ihre Fehler zu überwinden. Diese gute Absicht wird löbliche Früchte zeitigen.
aus: Abdu´l-Baha, Briefe und Botschaften
Kreatives
Wenn er die Gewohnheit hat, Gutes von anderen Menschen zu sagen, sprechen auch sie Gutes von ihm ...
Nun, da du Tag und Nacht Blumen und einen Blütengarten und die Wiesen sehen kannst - warum gehst du inmitten von Schlangen und Dornen umher?
Liebe jeden Menschen, auf das du immer unter Blumen und in einem Garten weilest.“
Rumi
Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten.
Achte auf deine Taten, denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal."
(Talmud)
TIP: Durch diverse Achtsamkeits- oder Dankbarkeitstagebücher (z.B. Happyself) können Kinder auch üben, ihre Gedanken, z.B. vor dem Schlafengehen, auf das Gute zu richten: Was war gut an meinem Tag?
Ein durchschnittlicher Geist diskutiert Ereignisse.
Ein schwacher Geist diskutiert Leute.
(Sokrates)